„Wir wechseln von den trägen Turbinen zu den schnellen Umrichtern“

„Sichere Netzwerklösungen für stabilen Betrieb netzgekoppelter Batteriespeichersysteme“ lautet Ihre Botschaft zur Solar- und Speichermesse The Smarter E. Sie böten „alle Komponenten, um … eine skalierbare und sichere Kommunikation zwischen Batteriecontainern, Power Conversion System – kurz: PCS, dem Energiemanagementsystem sowie dem … Umspannwerk zu realisieren“. Inwiefern würde diese elektronische Kommunikation, gäbe es mehr davon, künftige Netzüberlastungen durch wegbrechende Photovoltaikeinspeisung wie nun in Spanien geschehen zumindest abmildern?
Martin Jenkner: Wir stehen als Branche davor, den Wechsel von den klassischen trägen Erzeugern hin zur Kontrolle der Stromeinspeisung mit Invertern zu schaffen, die sich hochgradig dazu eignen, Amplitude, Phase und Frequenz der Einspeisung frei zu formen und damit netzstabilisierend einzugreifen. Eine ganz hervorragende Investition ist es hierbei, den Inverter als Wechselrichter und den Gleichrichter als sogenannte PCS zusammenzufassen. Bisher kontrolliert unsere Branche mit den Kommunikationssystemen die Photovoltaik-Anlagentechnik und ihre Einspeisung noch nicht in dieser Vielfalt, in der sie es könnte. Anders als im jetzigen Blackout-Fall in Spanien wird das künftige Energiesystem eine sehr gute Kontrolle über Erzeugung, Speicherung und Lastverteilung mittels der Kommunikationstechnik erreichen lassen. Es beginnt gerade, dass sich dies auf Anlagenebene durchsetzt. Bei großen PV-Systemen zum Beispiel im Gigawattbereich erreichen wir derzeit die Gigawattgröße klassischer Kraftwerksanlagen. So haben wir einen der größten Energiespeicher in Australien mit Kommunikationstechnik ausgerüstet, schon jenseits der Ein-Gigawatt-Marke. Solche Leistungen müssen Netzbetreiber sehr gut kontrollieren können. Doch die klassische Philosophie des Netzbetriebs setzt bislang weiter auf eine angeblich ausgleichende Wirkung der Trägheit der Dampfturbinen der fossilen Kraftwerke im Netz, …
… die bei plötzlichen Laständerungen den Frequenzänderungen durch ihre Trägheit entgegenwirken, bis Reservekraftwerkskapazitäten mehr Leistung nachliefern oder Kraftwerke ihre Leistung stark reduzieren, als sogenannte Momentanreserve.
Martin Jenkner: Sie ist aber auch ein Flaschenhals beim Einspeisen. Dampfturbinen mit ihren trägen Massen, egal ob mit Gas, Braunkohle oder Atom betrieben, lassen sich nicht beliebig schnell hochfahren, was sich hingegen fundamental mit Solar- und Speicheranlagen ändert. Sie können und sollen ihre volle Leistung in Bruchteilen von Sekunden entfalten, was tatsächlich Netzüberlastungen abmildern helfen wird. Aus dem bisherigen System der Dampfgeneratoren mit ihrer Trägheit, die sich im System auch Inertia nennt, in ein Low-Inertia-System zu wechseln, würde den Vorteil der schnellen Regelfähigkeit mit sich bringen. Allerdings kommt es hierbei auf die richtige, möglichst kleine Kommunikationslatenz an, mit der die Regelkommandos an das System gehen würden. Bei 100-ten Speichercontainern und 100ten PCS-Systemen im Gigawatt-Solarpark muss die elektronische Kommunikation jede Einheit gezielt einzeln ansteuern lassen, um einem Befehl des Netzbetreibers an die Anlagenbetreiber zuverlässig und schnell zu folgen – ohne dass die Speichereinheit durchbrennt.
Sie nennen „eine zuverlässige Überwachung und Steuerung der Energieströme für maximale Rentabilität, Zuverlässigkeit …“ als besondere Stärke künftiger 100-Prozent-Erneuerbaren-Systeme. Was ist die Schwierigkeit dabei, ein entsprechend geeignetes Kommunikationssystem einzurichten?
Martin Jenkner: PCS-Systeme können Leistungen der Batteriecontainer auf Kommando zeitsynchron und zuverlässig ansteuern. Das aber ist nicht trivial, weil wir für die Speichersysteme wie im gesamten Energiemarkt erforderlich redundante Kommunikationssysteme aufsetzen müssen, damit nach dem Ausfall einer Kommunikationsverbindung eine alternative Kommunikationsverbindung aktiv wird. Allerdings bauen wir die Kommunikationsstrecken in Ringstrukturen auf, so dass Sie nicht alle 500 Container einzeln mit Leitungen ansteuern müssen, sondern zum Beispiel in Ringverbindungen je 20 Batteriecontainer. Wir machen das schon lange und haben deshalb eine große Erfahrung damit, zum Beispiel ein PCS-System nicht nur über eine Ringstruktur, sondern auch mit einer Ersatz-Ring-Kommunikation auch unter widrigen Betriebsumständen immer volle Kontrolle auszuüben.
Mit einer Visualisierung der Redundanzprotokolle wollen Sie besonders kurze Zeiten zur Netzwerkwiederherstellung erreichen. Wie ist das technisch zu verstehen?
Martin Jenkner: Wenn ein Netzbetreiber wie Red Elektrica in Spanien einer Speicheranlage sagt, dass sie binnen zwei Sekunden auf volle Leistung hochfahren soll, muss diese nicht nur den Befehl genau so schnell umsetzen, sie muss auch automatisiert bei einem Ausfall eines Kommunikationssystems sofort einen Ersatzpfad im Kommunikationssystem übernehmen lassen. Das müssen Sie sich wie bei einem Auto vorstellen, dass bei einem im Rennen auftretenden Platten den Ersatzreifen innerhalb des Bruchteils einer Sekunde bei voller Fahrt tauschen lässt. Das unrealistische Ziel, muss beim Einspringen einer Ersatzkommunikationsleitung aber im laufenden Betrieb so schnell und reibungslos erfolgen, dass die Speicheranlage und ihre Betreiber gar nicht mitbekommen, dass sie bildhaft gesprochen einen Platten hatten.
Gibt es seitens der Moxa-Technik auch Obergrenzen für diese gewünschte Verfügbarkeit?
Martin Jenkner: Nach dem Reifenwechsel – dem Wechsel von einer Kommunikationsverbindung zur nächsten muss das Netzwerk den Betreibenden mitteilen, dass es den Reifenwechsel vorgenommen hat und die Betreibenden bei der nächsten Ausfahrt, einer Erzeugungspause der Photovoltaikanlage zum Beispiel, sich mit einem neuen Ersatzreifen ausrüsten müssen. Wir liefern dazu auch die Hardware als Powerplant-Computer. Dieses Kommunikationssystem kann binnen 50 Millisekunden eine ausgefallene Leitung wieder hochfahren und die Grid Codes für eine saubere Einspeisung bereitstellen – um dann dem Speichersystem zu befehlen, rein fiktiv angenommen binnen zwei Sekunden von 50 auf 100 Prozent Einspeisung hochzufahren.
erneuerbareenergien